Die unbekannte Größe Stundenausfall

Quelle / zitiert aus: Paczulla, Volkhard: Die unbekannte Größe Stundenausfall. In: Ostthüringer Zeitung vom 24.05.2013.

24.05.2013, 12:08 Uhr | Volkhard Paczulla | Erfurt

Offiziell fallen an staatlichen Schulen 4,7 Prozent des Unterrichts ersatzlos aus. Opposition im Landtag kritisiert geschönte Statistik, der CDU-Abgeordnete Emde spricht sogar von "Nebelkerzen" des SPD-geführten Ministeriums.

Franka Hitzing (FDP) kennt den Brief eines Schülers aus Gera. Wenn sich Schüler darüber beschweren, dass sie morgens länger schlafen und früher wieder zu Hause sein können, dann ist das ein Novum, stellte die Abgeordnete gestern im Landtag fest. Es ging um Unterrichtsausfall an Thüringer Schulen.

Ein Ende ist nicht in Sicht, klagte Susanne Hennig (Linke), deren Fraktion die Aktuelle Stunde beantragt hatte. Hennig hielt dem Kultusministerium vor, die Absicherung des Unterrichts nicht als Kerngeschäft zu betrachten. Nach Angaben des Thüringer Lehrerverbandes würden Ausfallstunden inzwischen zwölf bis 13 Prozent ausmachen.

Offiziell sind es 4,7 Prozent aller Schulstunden, die ersatzlos wegfallen. "Aber wir wissen nicht, wie viel Unterricht tatsächlich ausfällt", sagte FDP-Frau Hitzing, die selbst Lehrerin ist. Übernehme ein Lehrer zwei Klassen in Doppelbelegung, gelte das nicht als Unterrichtsausfall. Wird eine Klasse mit irgendwelchen Aufgaben nach Hause geschickt, wird auch das nicht als ausgefallene Stunde gewertet. Bei direkter Vertreung durch einen anderen Lehrer werde jede zweite Stunde fachfremd unterrichtet, will Hennig erfahren haben: "Das müsste fachweise als Ausfall erfasst werden", verlangte die Linke-Abgeordnete.

Sogar CDU-Bildungsexperte Volker Emde vergaß seine sonst auffällige Zurückhaltung gegenüber dem SPD-geführten Kultusministerium. Der Stundenausfall sei "an manchen Stellen massiv", schloss er sich der Kritik der Opposition an. Das Ministerium hänge die Zahlen "etwas tief" und werfe Nebelkerzen, anstatt klar zu sagen, welche Lehrer zur Verfügung stehen und welche nicht einsetzbar sind. "Wer das Problem lösen will, tut gut daran, Transparenz herzustellen", winkte Emde mit dem Zaunpfahl. Wenn die Zahl langzeiterkrankter Pädagogen ansteige, könne das am hohen Durchschnittsalter der Lehrer von über 50 Jahren liegen. "Vielleicht aber auch daran, wie man mit ihnen umgeht."

Bildungsstaatssekretär Roland Merten räumte ein, dass Unterrichtsausfall ein "ernstes Problem" sei. Aber keines, das den Alltag der Schüler bestimmt, sagte er. Wenn der Ausfallanteil an den 810 allgemeinbildenden staatlichen Schulen im März gestiegen sei, habe das mit gehäuften Erkältungskrankheiten der Lehrer zu tun gehabt.  Dass auch fachfremde Vertretungen als Ausfall in die Statistik eingehen sollen, könne er nicht ernst nehmen, sagte Merten in Richtung Linke.

Dann nahm er sich die CDU vor. Der hohe Altersdurchschnitt der Lehrerschaft sei eine Folge der Personalpolitik früherer Regierungen. Auch führten 1400 Lehrer in Altersteilzeit, die momentan noch bezahlt werden, aber in der Ruhephase sind, zu Problemen. Mehr junge Lehrer einstellen, bis 2014 sind 800 vorgesehen, das sei die langfristige Perspektive, auch um Unterrichtsausfall zu begegnen, sagte der Staatssekretär.

aktualisiert von Anna-Karina Neudeck, 15.07.2013, 13:38 Uhr